Eat, Pray, Love oder ein Kaffee hinter den Kulissen Balis

Dem Ort ging ein gewaltiger Ruf voraus. Hanging Gardens und Glück und so.  Von den angeblichen Schwingungen dieses angeblich magischen Glücksortes hatte ich nichts gehört. Zumindest solange nicht, bis ich eines Abend bei Freunden eingeladen war und sie sich über einen Film mit Julia Roberts unterhielten. Gut, zuerst war das ein Buch und dann erst kam der Film, der den kleinen Ort Ubud auf Bali bekannt machte. „Eat, Pray, Love“ wurde ein Bestseller und machte auch Udud weltbekannt. Man soll dort angeblich sein Glück finden können und die Welt würde für einen gerecht werden. Gibt es einen Zusammenhang zwischen Glück und Gerechtigkeit? Das interessierte mich.

Bei dem Hype um Buch und Film geht die Tatsache oft unter, dass in Ubud ein bedeutender Tempel für Saraswati – die Göttin der Litertur – steht. Als sich nach dem besagten Abend bei Freunden die Möglichkeit einen Indonesienaufenthalt um die Teilnahme am „Ubud Writers Festival“ zu ergänzen, musste ich keine Sekunde überlegen: „Eat, Pray Love“ hin, „Eat, Pray, Love“ her. Ein Literaturfestival am Ort des Tempels der Göttin für Literatur Saraswati ist was besonderes, selbst für mich, der das nicht ganz glauben mag, weil ich eher faktenorientiert bin. Deshalb wollte nachsehen, wie weit die Beschreibungen in Roman und Film an der Realität sind und was so eine Göttin der Literatur mit den Schriftstellern macht. Vorab muss man wissen: Ich meditiere nicht und ich habe mich mit Saraswati noch nie näher beschäftigt! Vielmehr interessierte mich das Festival und die Frage eines möglichen Zusammenhangs von Glück und Gerechtigkeit.

Nach einem anderen Termin im Norden Balis machte ich mich auf die Socken nach Ubud. Die Fahrt führte auf schmalen Straßen vorbei an den Terrassen der Reisfelder. Weite grüne Täler mit den charakteristischen Treppen schwangen sich bis zum Dschungel. Es schien, es wäre die Felder aus der Natur herausgeschnitten und müsste sich deshalb jeden Tag gegen die vom Rand her drückenden Bäume durchsetzen. Vor meinem inneren Auge fühlte ich mich an die Landschaften erinnert, die man aus den Hollywood Blockbustern kannte.

Mittlerweile waren wir fast 2 Stunden auf den kurvigen, engen Straßen unterwegs. Es würde noch etwas dauern, bis wir am Ziel waren. Als wir gerade wieder einen der grünen, mit Bäumen überwucherten Berge hinter uns ließen, schlug der Fahrer vor, ob wir nicht noch besser einen Kaffee trinken wollten. Schließlich sind wir ja gut in der Zeit und bevor ich in der Hotellobby rumhänge, wüsste er ein Kaffee auf dem Weg. Die Idee gefiel mir und ich hob den Daumen als Zeichen dafür. Fünf Minuten später bog unser Wagen von der befestigten Straße auf einen staubigen Weg ab. Wenige Meter danach hing die dichte Dschungelvegetation soweit in den Weg, dass Zweige und Blätter am Beifahrerfenster entlang kratzten.

Es dauerte nicht lange und alles um uns herum war grün. Langsam beschlich mich ein mulmiges Gefühl. Es schien, ich war dem Fahrer ausgeliefert. Was, wenn der Fahrer gar keine Kaffee trinken wollte, sondern eher am – vorsichtig ausgedruckt – kostenlosen Erwerb meiner Wertsachen interessiert war? Hier würde mich keiner hören, wenn ich um Hilfe riefe, das war klar. Es schien, ich war dem Fahrer ausgeliefert. Aussteigen war unmöglich, ich würde mich verlaufen und auch auf die im Dschungel möglicherweise auf mich wartende Tierwelt hatte ich keinen richtigen Bock. Ihn zu bitten umzudrehen, wäre im Falle böser Absichten genauso aussichtslos.

Ich musste dem Fahrer vertrauen, eine andere Chance hatte ich nicht. Tatsächlich tauchte nach 15 Minuten Fahrt eine kleine Hütte an der rechten Seite auf. Davor standen ein paar Stühlen und Tischen aus Bambus. Wir hielten an. Der Fahrer grinste und zeigte auf eine Frau, die an einem Ofen saß und frische Kaffeebohnen in einer Pfanne auf dem offenen Feuer röstete. Der leckere Geruch frisch gerösteten Kaffees stieg mir in die Nase. Es folgte der beste Kaffee meines Lebens und die Erkenntnis, dass Vorsicht sicher eine gute Eigenschaft ist, aber Vertrauen noch wichtiger ist, wenn man das Leben spüren will. :

Wie so oft, war die Angst völlig unbegründet und nur das Produkt einer unkontrollierbaren, neuen Situation. Angst, so sagt mal ein weiser Mann ist nur eine Illusion, ein Produkt meiner Gedanken. Während die nur Gefahr real ist, bleibt Angst eine pure Einbildung möglicher Gefahren. Hier gab es keine Gefahr, nur meine (ungebgründete Angst). So sind wir Menschen nun mal. Glauben wir dagegen die Dinge im Griff zu haben, haben wir keine Angst. Kommt dagegen was Neues auf uns zu, wo wir glauben es nicht beherrschen zu können, haben wir Angst und ziehen zurück oder lassen es nicht zu. Aber wie oft haben wir schon die Dinge im Griff? Wie oft haben wir uns schon irrig geglaubt, die Fäden zu ziehen? Glauben heißt schließlich nichts wissen. Dank dieser Angst entgehen einem vermutlich die besten Erlebnisse, weil man sich viel zu sehr „in die Hosen macht“ anstatt das wahre Risiko auszuloten. Hätte ich mich auf den Abstecher nicht eingelassen, wäre ich in eine Hotellobby gesessen und hätte standardisierten Kaffee getrunken, den ich auch in jeder anderen Stadt der Welt bekommen hätte!

In meinem Fall war das Risiko eigentlich überschaubar, wenn die ganze Sache rational angegangen wäre: Ich war in keinem Hochrisikogebiet wie es die mittlerweile vielen Kriegsschauplätze der Welt sind und Indonesien ist dank des dort geltenden Rechts mit seinen drakonischen Strafen ein friedliches Land. Ich vertrieb diesen traurigen Gedanken an die Angst mit einem kräftigen Schluck frisch gebrühten Kaffee.

Nach der zweiten Tasse fuhren wir schließlich weiter nach Ubud. Der Ort ist von Touristen überfüllt und auch die üblichen Ketten wie Starbucks sind schon da. In der Ortseinfahrt kommt man an einem ungewöhnlichen Naturschauspiel vorbei. Lianen, scheinbar aus dem Himmel auf die Straßen wachsen. Nach den Lianen kamen wir auf Hauptstraße. Dort kommt man am ehemaligen Königspalast vorbei, der aus einer Zeit stammt, als Ubud vorübergehend die Metropole von Bali war.

Ein alter Fotoladen ist mir dort aufgefallen, er erinnert an eine Zeit, als man Filme noch entwickelte anstatt mit dem Handy inflationär viele Selfies zu verballern. Eine Zeit, wo man sich noch überlegen musste, wann und wie oft man auf den Auslöser drückt, weil jeder Film und jede unnütze Entwicklung von Bildern eben Geld gekostet hat. Der Qualität hat das sicher nicht geschadet.
Das Festival war toll. Es haben sich einige ungezwungene Gespräche mit Autoren ergeben, die ich (und Google) vorher nicht kannten. Mein Hotel lag inmitten der üppigen Vegetation. Abends waren nur die Laute des Dschungels zu hören. Es war herrlich entspannend.
Ich habe ein Video am Ende des Textes eingestellt, wo man zwar nicht soviel sieht, dafür aber man der Dschungel sehr gut hören kann. Klingt ein wenig wie ein Spa oder Wellness Center bei uns, ist aber pure Natur. Im Gedächtnis wird mir aber in erster Linie die „Kaffee-Fahrt“ bleiben. Sie hat mich gelehrt, dass man nur dann wachsen kann, wenn man vertraut. Am besten sich selbst! In diesem Sinne: Gute Reise!